top of page

Wie war das: Don't run...


Langsam öffne ich das eine Auge, schnell mache ich es wieder zu. Der Wecker klingelt zum zweiten Mal und lässt mich nicht in Ruh… Ja, guten Morgen, guten Morgen, schöner Tag. Du glaubst ja nicht, wie ich dich mag. Guten Morgen, guten Morgen, schöner Tag – so verflucht und trotzdem froh, bist du wieder da… Wie im Lied von meinem Vater geht es mir an diesem Morgen, als ich um 04.45 Uhr aufstehen sollte. Der Wecker ist im Busch aber mein Kollege, welcher mein kleines Becken vor dem Zelt mit heissem Wasser füllt und sicherstellt, dass alle «Gäste» wach sind. Ich ziehe mich im Dunkeln an, wasche die Zähne und laufe mit der Taschenlampe in der Hand, dem kleinen Baum-Weg entlang zum «Deck». Dies befindet sich im trockenen Flussdelta. Ich trinke meinen Pulverkaffee und esse dankend das warme Porridge mit einer Banane. Die Temperaturen sind morgens noch eher kälter, was man tagsüber nicht wirklich sagen kann.

Ich freue mich auf meinen ersten Busch-Walk mit dieser Truppe. Julien, unser Guide, führt diese an, Tanya ist Backup. Tanya ist von Botswana und weilt nun schon ganze 5 Wochen im Busch. Wir erhalten das Briefing (vor allem Sicherheit, wie wir laufen, Handzeichen, Verhalten etc.) bevor wir losgehen. Die Jungs laufen vorne los, ich geselle mich zu Tanya, welche das Schlusslicht als Backup-Guide macht. Wir laufen seit etwa einer Stunde, als wir vor uns ein paar Büsche und dahinter eine weite Ebene sehen. Die Büsche sind etwa mannshoch und wir sehen nicht, was dahinter ist – doch wir hören es. Ein einzelnes Schnauben ertönt in der Luft. Wir bleiben wie angewurzelt stehen und Julien sagt nur «Büffel». Man muss wissen, Büffeln begegnet man ungerne zu Fuss. Sie sind enorm angriffslustig und vor allem machen sie keinen Scheinangriff. Wenn sie kommen, dann mit rund 50 km/h oder 15 Meter/Sekunde. Schiessen können wir erst innerhalb von 10 Meter Distanzen – ja, da hat man nicht mehr viel Zeit, das Gewehr zu positionieren. Deshalb ist das Schiesstraining in diesem Kurs enorm wichtig. Dieses besteht mir ja noch bevor. Zurück zum Büffel und unserer Gruppe. Wir stehen nun da und die Hälfte wird nervös, die anderen wollen um den Busch herum, um mehr zu sehen und ich – ich war etwas überfordert die Situation überhaupt wahrzunehmen oder einzuschätzen. Das Wichtige als Guide: schnell, die richtigen Entscheidungen treffen. Notiz an Isa: muss ich noch lernen resp. OMG morgen bin ich dran…

Wir entscheiden uns dann, dass wir langsam um den Busch gehen, damit wir die Situation einschätzen können und den Büffel sehen. Julien geht langsam als erster um den grossen Busch, kehrt jedoch sofort wieder: der Büffel steht direkt dahinter. Wir folgen Tanya den Büschen entlang, damit wir etwas Abstand bekommen, gut im Schatten sind und vor allem mit der richtigen Windrichtung gehen, dass der Büffel uns nicht gleich riecht. Hat er zwar jetzt schon. Julien bleibt zwischen dem Tier und uns – wie es sich für einen Guide gehört. Er und Tanya tragen die Gewehre. Schiessen ist immer der letzte Ausweg und muss, wenn möglich immer vermieden werden. Wir schleichen also den Büschen entlang, bis zu deren Ende und blicken zurück, zwischen zwei Büschen hindurch und sehen den Büffel, nein, zwei, ah nein doch drei. Die Gruppe wird unruhig und ich werde etwas nervös. Die Büffel heben den Kopf, sie haben uns gesehen, der eine bewegt sich in unsere Richtung und das war leider der Auslöser. Die Einheimischen bekamen einen solchen Schreck, da sie schon schlechte Erfahrungen mit Büffeln gemacht haben, dass sie laut sagen «Sie kommen» und fast jeder verschwindet resp. rennt in eine andere Richtung. Eine Sekunde später stehen Tanya und ich sowie Julien am anderen Ende der nicht mehr existierenden Schlange, verdutzt dreinschauend da. Interessant, wer da rennt… Tanya spricht mit strenger Stimme, sie sollen sich gefälligst zusammenreisen und ihr folgen. Wir kommen glimpflich aus der Situation raus und beim Debriefing am Abend wird die Situation nochmals besprochen. Tanya und ich können nun lachen, wie die Jungs hinter uns sich aus dem Staub machten, hatte schon etwas von einer filmreifen Szene mit dem Titel: Sie kommen.

Wer im Busch rennt, macht sich zur Zielscheibe und gefährdet zudem die Gruppe. Die oberste Regel lautet daher: Was auch immer du tust – renne niemals. Ich lerne ausserdem, dass der Backup-Guide in einer Situation mit einem PDA (Potentially Dangerous Animal) eine grosse Verantwortung für den Rückzugsweg, Schutz sowie die Gruppenkontrolle hat.

Ich liege im Bett, lasse die Natur und meine Eindrücke auf mich wirken und zack bin ich schon wieder im Tiefschlafe. Ich begegne im Traum einem Büffel und sage schmunzelnd: Whatever You Do – Don’t Run. Also stelle ich mich dem Abenteuer im Busch und renne nirgendshin.

LETZTE POSTS.
bottom of page